Inhalt von Kurzgeschichten 1:
Es ist nicht so wie du denkst Augenblicke wie Sand am Meer Ein Koffer voller Gedanken Sieben Tage


Es ist nicht so wie du denkst

Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Szenen der letzten Nacht zogen sequenzartig an meinem inneren Auge vorbei. Für einen Moment wusste ich nicht, wo mir der Kopf stand und musste mich zusammenreißen. Als ich dann aber meine Gedanken geordnet hatte, ging es mir besser.

Ich fühlte mich unwirklich, weil das alles hier eigentlich gar nicht wahr sein konnte, saß ich wirklich in dem alten Lehnstuhl neben ihren Bett?

Ich wandte meinen Blick zu ihr und hörte sie atmen, ihr Gesicht war zu mir gewandt und sie schien noch zu schlafen. Ihre Falten im Gesicht, am Hals fielen mir auf und ich erschrak fast darüber. Jetzt, wo sie einfach nur vor mir lag, weder sprach, noch lachte, eben einfach nur da lag, sah ich sie auf einmal in einem ganz anderen Licht. Sie war alt geworden, ihr fülliges dunkles Haar war grau und schütter geworden. Früher, als ich noch ein Kind war, hatte ich so gerne ihr Haar berührt, es stundenlang kämmen können.

Mein Blick streifte wieder ihr Gesicht und da blitzten mich zwei wache Augen an. Ich fühlte mich auf peinliche Art und Weise ertappt, hielt ihrem durchdringenden Blick aber noch einen Moment stand und senkte dann meine Augen nieder. Es herrschte ein paar Sekunden gespannte Stille. Sekunden, in denen mein Herz schneller zu klopfen begann. Wie lange hatte sie mich wohl schon beobachtet?

Ich hörte, wie sie tief einatmete. „Wieso schaust du mich so an?“ Langsam schwang sie, dabei ihren Oberkörper aufrichtend, die nackten Beine aus dem Bett.

„Hör auf mich so anzusehen“, sprach sie und betonte jedes Wort einzeln. Ich wollte etwas sagen, wusste aber nicht was. Eigentlich wollte ich meine Hand auf ihre Schulter legen, aber ich schämte mich viel zu sehr, dass ich sie so angesehen hatte. Mit einem Ausdruck im Gesicht, der sagte: „Du bist alt geworden“.

Ich suchte verzweifelt nach Worten, um ihr zuvorzukommen, denn ich wusste, dass alles, was ich jetzt sagen würde, vernichtend wäre. Doch je angestrengter ich überlegte, desto hilfloser wurde ich. Ich konnte nichts sagen, konnte mich nicht erklären.

„Ich hab nur“, begann ich, wurde aber jäh von ihr unterbrochen. „Ich weiß ganz genau, was du gedacht hast.“ Sie setzte sich noch aufrechter dabei auf.

„Aber, Mädel, vielleicht bist du noch nicht erwachsen genug. Vielleicht hab ich mich da einfach in dir getäuscht.“ Diese Worte schnürten mir die Kehle zu. Ich wusste nicht, was mich mehr traf, dass sie mich so abwertend „Mädel“ nannte oder dass sie glaubte, sich in mir getäuscht zu haben.

Ich saß wie versteinert im Lehnstuhl, konnte mich kaum rühren. Wie in Zeitlupe stand ich auf und setzte mich zu ihr auf die Bettkante, stellte so wie sie die Füße auf den Boden, es fühlte sich nicht gut an.

Was sollte ich tun? Abhauen, nein das ging nicht. So nahm ich ihre Brille, die im Bett lag, während ich noch angestrengt darüber nachdachte wie um Himmels Willen es weiter gehen soll, und legte sie auf das neben dem Bett stehende Nachtkästchen.

„Es ist nicht so, wie du denkst“, murmelte ich. Für diesen Klischeespruch hätte ich mich am liebsten selbst geohrfeigt. Es ist nicht so, wie du denkst, ja klar, noch besser wäre es gewesen, es ist nicht das, wonach es ausgesehen hat, oder es ist eigentlich alles ganz anders. Beschämt senkte ich den Kopf.

Plötzlich spürte ich ihre knochige Hand auf meiner, betrübt lächelnd sah sie mich an: „Es geht nicht darum was ich denke, sondern um deine innere Einstellung Mädel.“ Nenn mich nicht immer Mädel, wollte ich schon sagen, aber unterließ es dann.

Schweigend saß ich neben ihr auf der Bettkannte und starrte Löcher in den Boden, als sie auflachte und sagte während sie mit ihren Zeigfinger auf meine Stirn tippte: „Es ist nicht so, wie du denkst.“

Widerspruch regte sich in mir, ach, woher willst du wissen, was ich denke, doch bevor ich noch ein Wort äußern konnte legte sie ihre Arme um mich.

Großmutter, dachte ich in dem Moment, ich mache mir große Sorgen um dich, den Anfall den du heute Nacht hattest …

„Mädel, mach dir keine Sorgen um mich“, erstaunt sah ich sie an, konnte sie Gedanken lesen? Wie in der Kindheit streichelte ihre Hand meine Wange, ich sah in ihre Augen die wie damals voller Liebe und Güte mich ansahen.

Wie jung sie in diesem Augenblick aussah …

© L. W. 2001

Augenblicke wie Sand am Meer

Ohne ein gewisses Ziel zu haben spazierte ich dahin, als ich einen Eingang von einem Zaun umgebenen Park entdeckte. Ich werde mir den noch unbekannten Park ansehen, dachte ich, und schritt durch das Tor in den Park. Links neben mir gehend schob eine Frau einem Kinderwagen vor sich her, anscheinend hatte sie dasselbe vor wie ich. Einen Blick auf den Kinderwagen richtend sehe ich wie das Kind gerade mit einer Rassel spielt. Mit einen weiteren Blick ich kurz die Frau betrachtete, es dürfte die Mutter sein, denn sie sieht das Kind sehr liebevoll an. Wie wird das Kind aussehen, wenn es einmal erwachsen ist? Welche Ziele hat es in seinem Leben, welch Wünsche und Hoffnungen? Ob sich alle erfüllen würden? Waren meine Gedanken, als ich an der Mutter mit ihren Kind vorbei ging.

Kurze Zeit später hüpfe lachend ein kleines Mädchen an mir vorbei. Ihre Augen strahlten voller Lebensfreude, unbekümmert winkte sie mir zu. Lächelnd sie betrachtend, winkte ich zurück.

So war ich auch einmal, denke ich, ein lachendes Kind, das frohen Mutes durch die Welt ging. Das sich noch keine Sorge über ihr Aussehen oder später dann über die Schule und den Jungs und so weiter machte. Sehnsucht in mir verspürend nach dieser Kinderzeit.

Ein mir entgegenkommender Mann lenkte mich von meinen Kindheitserinnerungen ab. Seine Füße kaum in die Höhe hebend schlurfte er, als fiele im jeder Schritt schwer, über den Weg. Sein Kopf war gesenkt, nur ab und zu hob er ihn wobei seine Augen kurz hin und her huschten. Ein geistig Behinderter, was er wohl jetzt denken, fühlen mag, fragte ich mich.

Vielleicht wäre er eine starke Persönlichkeit geworden, wenn er diese Behinderung nicht gehabt hätte. Ob er dieses irdische Leben wohl ganz begreifen kann? Was wäre, wenn ich diese Behinderung hätte, wie der Mann den ich zuvor kurz beobachtet habe? Beschämt senke ich nun meinen Kopf, als mir bewusst wurde, nehme so vieles als selbstverständlich an, obwohl es dem nicht so ist.

Wieder den Kopf hebend betrachtete ich die wunderbar Umgebung, die mir vorher gar nicht so aufgefallen war. Vernehme nun das leise rauschen der Blätter im sanften Wind, begleitet von den schnattern der Enten im Teich. Sowie lustiges Kindergeschrei, das von einem mir noch nicht sichtbaren Kinderspielplatz kam.

Als ich weiter ging, zog meine Aufmerksamkeit eine dunkelhäutige am Wegrand stehende junge Frau an, die immer wieder auf ihre Armbanduhr blickte. Anscheinend schien sie jemanden zu erwarten. Stolz und Aufrecht steht sie da, wie eine wunderschöne Statue. Welche Gedanken sie wohl jetzt, in diesem Moment beschäftigen, dachte ich, denn ihrem Gesicht sah man keine Regung an. Als hätte sie meine Gedanken verspürt, drehte sie ihren Kopf in meine Richtung, lächelnd nickte ich ihr grüßend zu. Kurz erstaunt sahen mich ihre dunklen Augen an, dann lächelte sie ebenso nickend grüßend zurück. Eigentlich war es nur ein winziger Augenblick gewesen, und doch er berührte uns gegenseitig. Nochmal auf ihre Uhr schauend, winkte sie mir der Hand zu und ging in entgegengesetzter Richtung weiter.

So setzte auch ich meinen Spaziergang fort. Da entdecke ich eine Parkbank, auf der noch niemand saß. Irgendwie zog mich die Bank magisch an und so ging zu ihr und setzte mich nieder. So kann ich besser die Umgebung auf mich wirken lassen, dachte ich als ich meine Blicke umherschweifen lies. Ach, welcher schöner Tag, waren gerade meine Gedanken, als sich ein Pärchen an den Händen haltend neben mir auf die Bank setzte.

„Es tut mir wirklich leid, dass wenn wir zusammen spazieren gehen, ständig ich am Reden bin. Dir erzähle was mich bewegt, beschäftigt … aber dir höre ich kaum zu“, hörte ich die Frau zu dem Mann sagen. Die Stimme das Mannes klang traurig, als er antwortete: „ Ja … es geht immer wieder nur um dich, ich bezweifle ob es dich ehrlich interessiert was mich bewegt“, ihre Hand los ließ und auf stand. Ich wollte nun meinerseits aufstehen, um den Paar die Möglichkeit zu geben alleine miteinander reden zu können.

Als die Frau aufsprang ihn bei der Hand nahm, und die beiden weitergingen. Betroffen von dem eben gehörten sah ich ihnen nach. Hätte gerne gehört was sie zu ihm sagte, denn wie ich noch sehen konnte bevor sie aus meinem Blickfeld verschwanden, dass er seinen Arm um ihre Schulter legte und sie an sich drückte. Schön, Happy End wie in einem Märchen, dachte ich dabei.

Da ich nun wieder alleine auf der Parkbank saß, schloss ich meine Augen, als ich mein Gesicht der Sonne zuwandte um ihre Wärme zu genießen. Die diversen Nebengeräusche wurden immer leiser, ich fühlte mich so leicht, wie losgelöst …

Nun sitze ich in einem Cafe und genieße die Atmosphäre. Das Gemurmel der anwesenden Menschen, die leise Musik die im Hintergrund spielt. Den angenehmen Duft des vor mir stehenden Kaffees.

Ohne zu fragen, oder dass ich ihn aufgefordert hätte, setzt sich ein alter Mann an meinen Tisch. Sein faltiges Gesicht zierte ein weißer Stoppelbart und seine lebhaften blauen Augen schienen mich zu fixieren.

"ähm.....Guten Tag!" sage ich, um nicht unhöflich zu klingen, aber der alte Mann schweigt. Ich schaue in seine unglaublichen blauen Augen und frage mich, was das hier soll. War das ein dummer Scherz von ihm oder wollte er mich einfach nur ärgern?

"Ich dachte, dass das wirklich menschliche bald ausstirbt." murmelte er. „Wie bitte?" und sah ihn dabei erstaunt an. "Du hast dir Zeit genommen, um alles in deiner Umgebung wahrzunehmen ... das tun heute nur noch die wenigsten!" sagte er mit einer angenehmen rauen Stimme.

"Ach...woher wissen Sie das?" fragte ich und es fiel mir gar nicht auf, dass er mich duzte.

"Ich habe dich beobachtet und dachte, dies ist wohl ein besonderer Moment, den darf ich auf keinen Fall verpassen."

"Wie bitte? Jetzt wollen Sie mich aber wirklich auf den Arm nehmen …" ich lachte auf, merkte aber dass er nicht mit lachte sondern mich weiterhin schweigend und ernst betrachtete.

"Was wollen Sie?" und sah ihn dabei eine Erklärung erwartend an.

"Habe ich das nicht bereits gesagt?" stellte er nun die Frage an mich.

Einen Moment war ich so perplex, dass ich nicht wusste was ich ihm darauf sagen sollte. Tief Luft holend sagte ich: „Sie … sind ja echt ..." „Aufdringlich?" fiel er mir ins Wort.

"Nein … das ist mir noch nie passiert, dass ein Mann, sich einfach zu mir setzt und sagt, dass es schön ist wie ich meine Umgebung in mir aufnehme!" gab ich ihm zur Antwort.

Mich lächelnd anschauend sagte er: „Nun, es ist wichtig, auch die winzigsten und doch so zahlreichen wunderschönen Augenblicke des Lebens zu sehen. Ich würde eher alle anderen Termine stehen und liegen lassen, als dass ich einen solchen besonderen Moment versäume."

„Welchen besonderen Moment denn?" fragte ich erstaunt. „Zusammen mit einem anderen Menschen diese unzähligen Augenblicke bewusst wahrzunehmen!“

„Stört es sie, wenn ich mich zu ihnen setze?“ weckte mich eine Stimme, denn anscheinend war ich kurz eingenickt. Verwundert aufblickend sah ich, dass ich noch immer auf der Parkbank saß wo nun neben mir eine ältere Dame Platz genommen hatte. Gütig sah sie mich an und meinte: „Auch ich sitze hier sehr gerne, und dabei gehen mir die unterschiedlichsten Gedanken durch meinen Kopf.“ Als ich in ihre Augen sah, kam mir vor, wären sie in Tränen gebettet. „Wäre mir nur schon viel früher um die Wertigkeit eines jeden Augenblickes bewusst gewesen, derer so unzählige viele waren, wie Sand am Meer“, sprach die alte Dame weiter, wobei sie ihre Hand auf meine legte.

„Es ist vermutlich sehr schwer, stets mit wachen Augen und bewusster Aufmerksamkeit durchs Leben zu gehen“ sagte ich tröstend zu ihr.

„Und doch sollten sie es tun, auch wenn es nicht immer leicht ist“, meinte sie nun lächelnd, „glauben sie mir, mit der Zeit gelingt es einem auch.“ „Ja ich will bemühen, mir der Einmaligkeit und der Einzigartigkeit eines jeden Augenblickes bewusst zu sein“, gab ich ihr zur Antwort und legte nun meinerseits meine Hand auf ihre.

Schweigend sahen wir uns an, und dann fragte ich sie leise: „Was meinen sie, wird mir dies auch gelingen?“ Mir in die Augen schauend sagte sie mit einem gewissen ernst in der Stimme:

„Es liegt an ihnen … nur an ihnen …“

© L. W. 2001

Ein Koffer voller Gedanken

Losgezogen bin ich bei meiner Lebensreise mit einem leeren Koffer, und sie ist auch, so hoffe ich, noch lange nicht zu Ende. Es lag am Erwachsen werden und den erlebten Jahren, dass mein Lebens-Koffer, den ich Jahr für Jahr mit schleppte immer größer wurde.

Er ist kein Ausstellungsstück, sondern erfüllt eine Mehrzwecks-Funktion. Er beinhaltet meine Gedanken, Erinnerungen und Erlebbnisse, sowie Hoffnungen, Wünsche und so manchen Traum. Auch ist er meine Ideen-Box, und manchmal auch mein Spielkasten. Doch wie ich bemerke, habe ich nun ein Problem, den vollgestopften, schweren Koffer zu tragen.

Mühselig trug ich den Koffer zu der nahe am Fluss stehenden Bank und setzte ihn erleichtert ab. Nun öffnete ich den Koffer, mit all dem gesammelten aus meinen bisherigen Leben. Einige Gedanken sind so geballt und kurzfristig aufeinander folgen, dass ich innehalten muss. Will ich diese preisgeben, frage ich mich? Nein, möchte ich nicht, aber ich könnte sie in ein Tagebuchschreiben. So kann ich sie dann vergessen, weil sie aufgeschrieben sind.

Wie ich so in den Koffer sehe, bemerke ich so manchen Wunsch, der mich ein Weilchen mit sich trug, doch mich irgendwo mal mehr oder weniger sanft absetzte. Auch diese Wünsche konnte ich entfernen.

Es gibt schöne und schützende Orte, die ich gedanklich gemalt habe, die ich nie sah, sie nur erahnen kann, und doch sicher bin sie existieren. Sie inspirieren mich immer zu einer inneren Reise. Diese gemalten Gedanken sind in meinem Innersten immer abrufbar und so sende ich sie dankbar ans Universum zurück, denn von dort habe ich sie erhalten.

Die unterschiedlichsten Gedanken bemerke ich nun in meinen Lebens-Koffer. Es wird mir bewusst, immer wieder geht es darum in Balance zu sein. Das Leben bietet eine Fülle an Möglichkeiten, dass jede Stunde, die wir unaufmerksam unserer Umgebung gegenüber oder uns selbst gegenüber verbringen, verloren scheint.

Ich erhebe mich von der Bank und sammle unzählige kleine Steine am Flussrand ein. In meiner Vorstellung, ist ein jeder einzelne Stein, ein Gedanke aus dem Koffer. Stein an Stein legend forme ich ein Mosaik aus meinen Gedanken und übergebe sie hiermit symbolisch der Natur.

Anschließen hole ich aus meiner Handtasche das Notizbuch und beginne zu schreiben. Beginnend an die Liebe und endend mit den Zauber des jetzigen Moment. Es sind viele Seiten des Notizbuches voll geworden. Seite für Seite reiße ich sie nun raus, und falte kleine sie zu kleine Schiffchen die ich sachte dem Fluss anvertraue. Langsam trieben sie Flussabwärts, ich sah ihnen so lange zu, bis ich sie nicht mehr wahrnehmen konnte.

All meine Gedanken waren nun frei, nicht mehr gehalten in meinem Lebens-Koffer.

Es ist befreiend, wie ich feststellte, einfach alles loszulassen, den Ballast abzuwerfen, den man schon lange Zeit bei sich getragen hatte.

Diesen leeren Koffer nun betrachtend, stellte sich mir die Frage:

„Reisen wir nicht auch, um das Gefühl von „daheim“ verspüren zu können, um am Ende wieder anzukommen?“

© L. W. 2013

Sieben Tage

Nachdenklich stehe ich am Fenster und weiß nicht so recht wie ich den Tag einordnen soll. Am besten überhaupt nicht, sinniere ich. Der Sonntag hatte erst begonnen und dessen Gesamtbeurteilung könnte sich kontinuierlich verändern.

Es gab Tage die in der Summe gesehen verschwendete Zeit waren. Minuten die durch die Hände rinnen und dann das Entsetzen darüber, wenn die Frage auftauchte, was habe ich die letzen Woche eigentlich gemacht? Vielleicht zu langsam Schritt für Schritt gesetzt um meine Möglichkeiten zu erkennen und sie zu erweitern?

Ich nippe an meiner Tasse Kaffee, und überlege wie viele Minuten sieben Tage haben. Komme auf 10 080 Minuten. Wow, denke ich, und versuche mich zu erinnern wie viele dieser Minuten mir noch bewusst sind. Nehme an, ca. ein Drittel von diesen 10 080 schlafe ich davon.

Ein Morgen fiel mir gleich ein, es lag eine gewisse Spannung in der Luft. Anscheinend wirkte sie auch auf die Wolken, die rasant vorbeizogen. Vielleicht, so dachte ich, um den Menschen den Sonnenschein zugutekommen zu lassen. Auch dass ich mir eine Auszeit nehmen wollte. Einfach den Tag für mich nützen ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben weil noch dies oder jenes erledigt gehörte. Dafür wollte ich am nächsten Tag die liegen gebliebenen Sachen erledigen.

Doch am nächsten Tag fehlte mir jede Motivation um aktiv zu werden. Leicht möglich dass meine innere Programmierung meinte für den Tag unmotiviert zu bleiben. Eine gute Ausrede fand ich und machte dafür einen langen Spaziergang, den ich in einer Konditorei bei Kaffee und Kuchen ausklingen ließ. Ja, dieser Tag hat meiner Seele wie auch meinem Körper gut getan.

Das Leben beinhaltet so viel für mich. Es ist einerseits eine Herausforderung, ein Abenteuer, aber auch um aus Erfahrungen zu lernen. Seine Lebens-Hausaufgaben zu machen, denn es hat sicher eine Bedeutung warum ich gerade hier und jetzt lebe.

Gedanken über Gedanken purzeln durch meinen Kopf, an welchen Tag habe ich an dieses oder jenes gedacht. Eigentlich egal, wichtig ist es doch überhaupt darüber nachzudenken. Nicht gleichgültig den Menschen und dem Leben gegenüber zu stehen.

Denn hinter jedem Leben gibt es kleine und große Geschichten von Menschen. Ihre alltäglichen Dramen, Siege und Niederlagen. Seltsam, denke ich, oft begegne ich Menschen, von denen ich mir schnell ein Bild machen kann, vielleicht zu vorschnell, frage ich mich.

Aber welches Leben verbirgt sich eigentlich hinter diesen Menschen? Wie leben sie? Wie lebt es sich eigentlich in einem Heim, als alter Mensch? Wie schmeckt das Essen dort? Und wie fühlt sich Einsamkeit an?

Oder wie gehen Bestatter mit dem Tod um? Ist der Tod für sie Routine?

Wie stellt sich der fünfjährige Tobias das Leben seiner ungeborenen Schwester vor?

Was macht ein glückliches Leben aus?

Sehr oft setze ich mich bewusst damit auseinander. Sind gesellschaftliche Voraussetzung und materielle Grundlagen ein Garant für ein glückliches Leben? Nein ist es nicht, ist meine ehrliche und auch innere überzeugung. Für mich zählen die ideellen Werte die nicht nur eine Minute sondern auch eine Sekunde sehr kostbar und unvergesslich machen können. Auch die Stolpersteine, die auf dem Weg "Zum Glück" liegen können, gehören dazu.

Voll Energie und Power erledige ich dann die seit zwei Tagen liegen gebliebenen Sachen. Alles ging mir flott von der Hand, auch das Wäsche bügeln war keine Marterei, wie ich es sonst immer empfand.

Lasse 10 080 Minuten sein was sie sind … Zeit die unaufhörlich vergeht …

Es liegt an uns selbst, ob sieben Tage unzählige Kostbarkeiten enthalten, denn das Leben beschenkt uns Tag täglich damit, man muss sie nur wahr nehmen wollen …

Denn wir wissen alle nicht, wie oft wir in unseren Leben die siebenTage multiplizieren können …

© L. W. 2011